142_KUNST BRAUCHT KOHLE957_Backlist.html

KUNST BRAUCHT KOHLE

von KUNST BRAUCHT KOHLE (Chantal Romani & Jana Vanecek)


Eröffnung & Release _957 # 142

Freitag, 28. OKT 2022, ab 18 Uhr

Redaktion, Himmelrichstrasse 4, 6003 Luzern





















Bestellung _957#142

Als wir mit der Arbeit an dieser Publikation begonnen haben, war die Welt frisch mit der Corona-Pandemie beschäftigt. Die gewaltvolle Abschottungspolitik der Festung Europa verschärfte sich immer mehr und die binäre Differenzierung zwischen dem Globalen Norden und Globalen Süden hatte über Jahrzehnte hinweg ein schwarzes Loch auf der geopolitischen Landkarte gerissen: die postsozialistischen Staaten des Globalen Ostens. Die schwelenden Konflikte und neue Formen des Faschismus in einigen diesen Gebieten schienen vermeintlich weit genug weg, so dass sie zum Teil schlichtweg ignoriert wurden. Doch auch in West-Europa und in den USA hatte sich die extreme Rechte über die Jahre hinweg etabliert, Umweltproblematiken geleugnet oder verharmlost, Ableismus, Rassismus, Sexismus, Homo- und Transphobie geschürt. In ihrem Kampf gegen die besitzlosen Klassen schwächte die Rechte systematisch soziale Institutionen und verstärkte so soziale Ungleichheiten. Die Pandemie machte dies mehr als offensichtlich. Corona zeigt(e) uns, dass grosse Ungleichheiten bei den Überlebenschancen und im Zugang zum Gesundheitswesen bestehen und dass die Art und Weise, wie sich todbringende Viren verbreiten, viel stärker von sozialen Strukturen abhängt als von biologischen Prozessen allein.


Gute zwanzig Monate und viele Diskussionen später, also in der Zeit in der wir diese Einleitung schreiben, verschieben sich die oben beschriebenen Dynamiken sowie auch die Wertvorstellungen in den westlichen Gesellschaften kontinuierlich. In Anbetracht von ökologischen, ökonomischen und politisch-sozialen Krisen und zunehmender Prekarisierung – sei es durch Krieg, Krankheit, Arbeitslosigkeit oder generellen Einkommensschwund – fragen wir nicht, ob Kunst systemrelevant ist oder nicht. Seit den Schliessungen von Kunst- und anderen Kulturinstitutionen während der Corona-Pandemie kennen wir zumindest die administrative Antwort. Vielmehr sind wir davon überzeugt, dass gerade jetzt folgende Fragen «Was ist der Wert der Kunst?» und «Welche Werte werden durch Kunst repräsentiert?» wichtig sind.

Uns geht es dabei explizit um eine Diskussion, welche den Wert der Kunst nicht auf ihren Markt- oder Warenwert reduziert, quasi Kunst als Investitionsobjekt oder Teil der Kreativwirtschaft. Selbstverständlich wird und wurde Kunst immer schon von ökonomischen Massstäben durchdrungen. Zudem spielen in globalisierten Wissensgesellschaften symbolische Be-/Deutungen für den wirtschaftlichen Erfolg eine wichtige Rolle. Insbesondere in einer Zeit, in der Ideen und «Kreativität» als wichtiges Wirtschaftsgut gelten. Es wäre also in vielerlei Hinsicht falsch nach den symbolischen Werten der Kunst zu fragen und das in und durch sie repräsentierte Kapital zu ignorieren. In unseren Recherchen zu dieser Publikation konzentrierten wir uns daher auf gesellschaftliche Verhältnisse, in denen Kunst produziert und vermittelt wird. Ausserdem interessierte uns welche Rolle Kunst in diversen gesellschaftstheoretischen Entwürfen und sozialen Bewegungen spielt.


Wir haben es uns nicht einfach gemacht, vieles aufgegriffen und auch wieder verworfen. Unser Suchprozess ist nicht abgeschlossen. Trotz alledem legen wir mit dieser KUNST BRAUCHT KOHLE Publikation die erste Sammlung von Fragen vor. Es sind viele Fragen auf die wir selbst keine Antworten liefern können oder zumindest nicht alleine liefern wollen. Die Publikation ist eine Einladung an Euch, gemeinsam darüber nachzudenken, über welche Machtverhältnisse, aber auch über welches gesellschaftsveränderndes Potential wir sprechen, wenn wir über Kunst sprechen.


KUNST BRAUCHT KOHLE (Chantal Romani & Jana Vanecek)